Menschen vorurteilsfrei zuhören...
Zum Internationalen Tag gegen rassistische Diskriminierung
Die Menschenwürde ist unantastbar. Wer wollte das nicht unterschreiben? Und doch verstoßen viele Menschen täglich dagegen. Sie diskriminieren andere, weil sie anders sind. Merkmale, auf die sich ihr Verhalten bezieht, können zum Beispiel Größe, Gewicht, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Glaube oder Kultur sein. Was lässt sich da tun?
Serpil Ertik engagiert sich mit Herzblut in dieser Frage. Sie ist als Sozialarbeiterin für die Eifeler Caritas in Schleiden tätig. Zu ihr kommen Menschen, die sich diskriminiert fühlen. Das heißt, sie fühlen sich ungleich behandelt und gegenüber anderen benachteiligt. Diese Erfahrung verletzt die Betroffenen. Erlebt haben sie es zum Beispiel bei der Arbeits- oder Wohnungssuche, aber auch in alltäglichen Situationen, in der Schule, im Bus, mit der Polizei auf der Straße oder mit Türstehern vor dem Nachtclub.
Das Wichtigste ist für die Menschen zunächst einmal, dass ihnen bei der Beratungsstelle für Antidiskriminierungsarbeit zugehört und geglaubt wird. Denn mit ihrer Unrechtserfahrung fühlen sie sich oft alleingelassen. Serpil Ertik lässt sie bis zum Ende erzählen, ohne ihre Erlebnisse in Frage zu stellen. Für manche ist es damit schon getan. Andere wiederum brauchen weitere Schritte, um das Erlebte aufzuarbeiten. Das Spektrum möglicher Maßnahmen reicht weit, vom Beschwerdebrief über die Begleitung bei einem Vermittlungsgespräch bis zur Unterstützung beim Rechtsweg, insbesondere im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Bevor es dazu kommt, braucht es zweierlei. Zum einen müssen alle Fakten, die zum erlebten Unrecht dazugehören, ermittelt und dokumentiert werden. Das ist ein langer und emotionaler Prozess, zumal man auf manche Punkte aus verschiedenen Perspektiven schauen kann. Zum anderen muss sich dann die Person, die sich diskriminiert fühlt, selbst für eine Strategie oder Maßnahme entscheiden. So soll nicht zuletzt ihre Handlungsfähigkeit gestärkt werden.
Serpil Ertik analysiert, berät und informiert gründlich und präzise. Sie möchte den Ratsuchenden keine leeren Versprechen und falschen Hoffnungen machen. Die Sozialarbeiterin gestaltet die nötige konstruktive Kommunikation mit den Personen oder Institutionen, die für die erlebte Diskriminierung verantwortlich sind. Dabei vollbringt sie den Spagat, weiter wahrnehmbar auf der Seite der Ratsuchenden zu stehen.
Es sind häufig komplexe Situationen. Denn das Gleichbehandlungsgesetz deckt längst nicht alle Fälle und Aspekte ab, mit denen die Menschen zu Serpil Ertik kommen. Besonders komplizierte Fälle berät sie kollegial und interdisziplinär. Wertvollen Austausch führt sie im Netzwerk mit weiteren Antidiskriminierungsstellen in Nordrhein-Westfalen. Insbesondere holt sie dort juristische Einschätzungen ein, um rechtlich abgesichert unterwegs zu sein.
Vernetzung ist auf verschiedenen Ebenen notwendig, betont Serpil Ertik. Denn zu ihrer Arbeit gehört neben der Begleitung von Menschen, die sich rassistisch diskriminiert fühlen, auch die Beratung, Sensibilisierung und Schulung von Organisationen und Institutionen. Ihre Erfahrung ist, dass es sich für jeden dieser Partner lohnt, die eigenen Standards, Strukturen und Abläufe genauer darauf zu prüfen, ob sie nicht ausgrenzen und diskriminieren. Meistens finden sich Punkte, die eigene Haltung zu reflektieren und gegebenenfalls eine andere Sprache zu sprechen.
Im Umgang mit benachteiligten Menschen ist es wichtig, wahrzunehmen und zu benennen, dass sie einer alltäglichen Diskriminierung ausgesetzt sind. Diese begegnet ihnen in unzählig vielen kleinen Blicken, Gesten und Worten. In ihrer Arbeit lebt Serpil Ertik eine offene Haltung, versucht nicht zu werten, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Manchmal erwischt sie sich an einem Punkt, wo ihr das trotzdem passiert. Selbstkritisch arbeitet sie daran, um ihrem Anspruch an Dritte, an die Gesellschaft, an Organisationen und Institutionen persönlich gerecht zu werden.
Wann eine Beratung zu Ende ist, bestimmt in der Regel die ratsuchende Person. Hilfreich sind die Vereinbarungen, die beim zweiten oder dritten Gespräch getroffen werden. Als Fachkraft kann Serpil Ertik zwar abschätzen, wann das Gegenüber seine Herausforderung selbst bewältigt. Auch möchte die Sozialarbeiterin keine Abhängigkeiten von ihrer Unterstützungsleistung provozieren. Aber andererseits ist ihr die Entschlossenheit wichtig zu sagen: Ich bin da, im Bedarfsfall. Wenn sich wieder eine Diskriminierung ereignet, die Leid und Nachteil auslöst.
Autor: Thomas Hohenschue