Sternfund im Schlamm
Nach der Flutkatastrophe wurde bei den Aufräumarbeiten am Schleidener Caritas-Haus von einer Mitarbeiterin ein kleiner Stern im Schlamm entdeckt. Sie nahm diesen an sich und bewahrte in zuhause auf. Vor den Weihnachtstagen fotografierte sie ihn und Mitarbeitende der Caritas kreierten daraus gemeinsam einen Flyer im Postkartenformat; auf der Rückseite wurde ein passender Text abgedruckt, um so ein positives, hoffnungsvolles Zeichen für 2022 zu setzen - für das neue Jahr nach dem Flutjahr.
Als Anja Joyé, Pastoralreferentin und Seelsorgerin für die Mitarbeitenden der verbandlichen Caritas im Bistum Aachen, die Karte vor einigen Tagen in ihren Händen hielt, brachte sie dazu berührende Gedanken zu Papier, die wir sehr wertvoll fanden und deshalb gerne teilen:
Ein jeder, eine jede von uns trägt seit den Tagen des 14. / 15. Juli Bilder der großen Flut mit sich. Für manche, die diese Katastrophe im Fernsehen oder über das Internet verfolgt haben, sind diese Bilder im Kopf gespeichert. Für Menschen, die diese Flut hier in der Eifel vor Ort erlebt haben, sind ihre jeweiligen Bilder nicht nur Bilder im Kopf, sondern auch tief in Herz und Seele eingebrannt. Viele davon wiegen schwer, suchen immer wieder heim, sind nur schwer auszuhalten und zu ertragen.
Die Bilder, die sich den Helfern und Helferinnen boten, als sie sich auf dem Weg hier in die Flutgebiete machten, werden diese auch nicht mehr vergessen: all die Verwüstung, das Chaos und der unselige Schlamm, den die Fluten allerorts hinterlassen hatte.
Diesen Schlamm schippten auch unzählige Helfer_innen aus der Geschäftsstelle des regionalen Caritasverbandes in Schleiden. Dabei fand eine Mitarbeiterin einen Stern, den sie mit nach Hause nahm. Dieser "Sternenfund im Schlamm", dieses Bild bewegt mich in diesen Tagen sehr- in diesen Tagen, in denen die Sternsinger normalerweise durch die Gemeinden ziehen, um Gottes Segen von Haus zu Haus zu bringen.
"Christus mansionem benedicat" --- Christus segne dieses Haus. In Coronazeiten wird das Sternsingen ja rein praktisch zum zweiten Mal zur Herausforderung. Aber mir geht in diesen Tage auch durch den Sinn, wie es den Menschen hier vor Ort mit diesem Segen in diesem Jahr ergehen mag. Ist das Wort der Sternsinger: "Christus segne dieses Haus" eher eine Zumutung oder wirklich eine Zusage? Der Sternsingersegen ist hier vor Ort auch eine inhaltliche Herausforderung. Hat der Haussegen im vergangenen Jahr versagt? Wie konnten ganze Häuser wegschwimmen? Wie konnte aus meinem Haus, meiner Wohnung ein solches Trümmerfeld werden? Und rein praktisch: Wo soll ich den Segensspruch in diesem Jahr überhaupt befestigen- auf den nackten Wänden des Rohbaus? Viele Fragen - und für viele davon habe ich auch keine Antwort parat.
Aber dennoch bewegt mich dieser "Sternenfund im Schlamm"- er erinnert mich an die Geschichte der Sterndeuter. Sie machen sich einem Stern folgend auf die Suche nach dem neugeborenen König der Juden und fanden ihn nicht im Reichtum und Lichte des Palastes des König Herodes, sondern in der Dunkelheit eines armseligen Stalls in Betlehem zwischen dem Vieh. Die Botschaft von Weihnachten: Gott kommt herunter in die Armseligkeit, die Finsternis, die Not von uns Menschen, um ein Hoffnungslicht der Liebe und Erlösung anzuzünden.
Der "Sternenfund im Schlamm" ist für mich auch ein solches Hoffnungszeichen und Hoffnungslicht hier in diesen von der Flut überschwemmten Gebieten. Er ist ein Zeichen dafür, dass Gott uns niemals verlässt, auch in den dunklen Stunden unseres Lebens nicht, selbst in Flut, Not und Tod. Im Buch Jesaja spricht Gott sogar: "Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort." Auch keine Flut kann uns trennen von Gottes Nähe und Liebe.
Und diese Nähe Gottes ist vom ersten Tag der Flut an nicht nur im "Sternenfund im Schlamm" sichtbar, sondern im Engagement der vielen Helferinnen und Helfer spürbar. Sie machten sich wie die Sterndeuter auf den Weg, folgten dem Lauf des Wassers und brachten viele Gaben mit in Dunkelheit und Not. Nicht Gold, Weihrauch und Myrrhe brachten sie, sondern Lebensmittel, Kleidung, Waschmaschinen, Räum- und Trockengeräte, Spenden--- und sich selbst: ihre Zeit, ihre Tatkraft, ihre Solidarität, ihre Mitmenschlichkeit. Seit Juli bis in diese Tage hinein geht über den Flutgebieten immer wieder der Stern des Immanuel, des "Gott mit uns" auf in tätiger Nächstenliebe so vieler Menschen unterschiedlichster Herkunft. Das Caritasmotto: Not sehen und handeln bekommt seit Juli hier in der Eifel, im Aachener Land und an der Ahr unzählige Hände und Füße; die Helfenden bringen seitdem auf unterschiedlichste Weise Gottes Segen in die Häuser, wie die Sternsinger es in diesen Tagen tun und wie es die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas rund ums Jahr in ihrem Dienst an den Menschen tun.
Und deshalb an dieser Stelle: ein Wort des herzlichen Dankes an alle Helferinnen und Helfer, die unermüdlich seit Juli hier und an anderen Orten im Einsatz sind, um das Leben der Betroffenen durch ihre Hilfe ein wenig heller werden zu lassen. Und vor allem auch ein herzliches Dankeschön an alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Caritas in der Region Eifel und darüber hinaus, die rund ums Jahr, aber auch in diesen schweren Corona- und Fluttagen, gelebte Nächstenliebe zu den Menschen tragen. Sie sind in Ihrem Einsatz tägliche Zeichen der Hoffnung in Not.
Und so möchte ich schließen mit einem Wort des Segens:
Guter Gott, komm und segne uns, unsere Häuser und unsere Wohnungen und lass Dein Licht über uns aufgehen, wie der Stern von Bethlehem über dem Stall in der Dunkelheit.
Begleite uns mit Mut und Kraft, den Widrigkeiten zu trotzen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen.
Segne alle, die uns auf unserem Weg begleiten und unterstützen, dass Deine Botschaft von der Liebe Gottes und dem immerwährenden Licht in der Dunkelheit weiterhin Hand und Fuß bekommt in unserem Leben, in dieser Zeit.
Dazu segne uns der immerwährende, treue Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.